Das Forschungskonzept der Professur für Open-Source-Software an der Friedrich-Alexander-Universität

Die leitende Forschungsfrage unserer Arbeit lautet: Wie funktioniert “offene Zusammenarbeit” (“open collaboration”), wie wir sie in der Open-Source-Softwareentwicklung und anderen offenen Projekten erleben? Unter offener Zusammenarbeit verstehen wir Projekte, in denen Konsensbildung und gemeinschaftliche Entscheidungsfindung zum Alltag gehören, ohne dass dies von einer einzelnen Person bestimmt werden könnte. Mit dem Verstehen kommt auch das Verbessern, d.h. wir untersuchen die Konzepte, Prozesse und Werkzeuge der offenen Zusammenarbeit mit dem Ziel, sie effektiver und effizienter zumachen.

Eines unserer vielzitierten Papiere zeigt auf, das Open-Source-Software exponentiell wächst. Gleichzeitig erleben wir, wie sich immer mehr Unternehmen in Open-Source-Konsortien organisieren, um gemeinschaftlich die Softwareentwicklung voranzutreiben. Wir sehen im offenen Zusammenarbeitsmodell die Zukunft der Softwareindustrie, innerhalb und außerhalb von Unternehmen. Aus diesem Grunde hat Prof. Riehle auch die OpenSym Konferenz gegründet, eine ACM-unterstützte Konferenz zu allen “Open”-Themen, inkl. Open Source (aber auch Open Access, Open Data, Wikipedia, etc.)

Wir haben das Forschungsgebiet anhand der verfügbaren Mitarbeiter inkl. Prof. Riehle in fünf wesentliche Forschungsbereiche aufgeteilt, die im Folgenden vereinfachend als Projekte bezeichnet werden. Die Mitarbeiter dienen als Vorreiter für ihr Gebiet und wir hoffen, sie um weitere Kapazität in diesen Gebieten ergänzen zu können.

  • Open-Source-Analytics. Auf Basis existierender umfangreicher Open-Source-Projektdatenbestände entwickeln wir neue Metriken und Methoden, diese Metriken zu bestimmen, um das Management von Softwareentwicklungsprojekten durch entsprechendes Steuerungsfeedback und -werkzeuge zu verbessern.
  • Open-Source-Prozesse und Projektgemeinschaften. Wir untersuchen existierende Projektgemeinschaften auf ihre technischen und sozialen Prozesse hin, um diese Prozesse besser zu verstehen und effektiver gestalten zu können. Wir dokumentieren die resultierenden Erfolgsmethoden und unterstützen sie durch entsprechende Werkzeuge.
  • Open-Source-Geschäftsmodelle (“Economics”). Nachhaltige Softwareentwicklung verlangt ein Geschäftsmodell. Auf Basis seiner langjährigen Industrietätigkeit erforscht Prof. Riehle die Geschäftsmodelle von Open-Source-Software, sowohl aus Unternehmenssicht (Single-Vendor-Open-Source, Open-Source-Konsortien) wie auch aus Entwicklersicht (Open-Source-Karriere, notwendige Kompetenzen).
  • Offen-kollaborative Endbenutzer-Programmierung (“open collaborative end-user programming”). Angesichts des Mangels an qualifizierten Softwareentwicklern und -entwicklerinnen versuchen wir es Endbenutzern zu ermöglichen, sicher und konstruktiv Software zu entwickeln. Unser Ansatz basiert auf der Wiki-Metapher und ermöglicht die offene gemeinschaftliche Entwicklung von Software.
  • Inner-Source-Software-Entwicklung. Erfolgreiche Unternehmen versuchen zunehmend ihre Softwareentwicklung durch Selbstorganisation zu verbessern. Die zugehörigen Prinzipien sind dem Open Source entlehnt und heißen Inner Source. Wir sind Vorreiter in der Erforschung der Konzepte, Prozesse und Werkzeuge des Inner Source zur Verbesserung unternehmensinterner Softwareentwicklung.

Die ersten drei Gebiete (Analytics, Prozesse und Geschäftsmodelle) decken Open-Source-Software an sich ab, die zwei folgenden Gebiete erforschen die Auswirkungen von Open Source in zwei wichtigen angrenzenden Gebieten, nämlich der Endbenutzer-Programmierung und der Zusammenarbeit in der Softwareentwicklung innerhalb von Unternehmen.

Unsere Vorgehensweise in der Forschung kombiniert das traditionelle ingenieurwissenschaftliche Vorgehen (Konstruktion und Bewertung innovativer Artefakte) mit aus Natur- und Sozialwissenschaften bekannten empirischen Methoden. Diese Kombination ist herausfordernd und in der Softwaretechnik besonders wichtig, da neben technischen Artefakten auch immer der Mensch mitbetrachtet werden muss. Eine Softwaretechnikforschung, welche sich auf die Analyse technischer Artefakte ohne Betrachtung des Nutzers, insb. des Softwareentwicklers resp. der -entwicklerin, beschränkt, greift unseres Erachtens nach zu kurz.

Studierende werden schon frühzeitig an die Forschung herangeführt. Unser Forschungspraktikum “Nailing your Thesis” (NYT) bereitet Studierende nicht nur auf eine erfolgreiche sondern auch auf eine wissenschaftlich gehaltvolle Abschlussarbeit vor (vgl. Lehrkonzept). Die in NYT bearbeitete quantitative oder qualitative Forschungsfrage wird von einem Industriepartner gestellt und begleitet. Die Überführung in die Abschlussarbeit und eine etwaige Dissertation bietet sich an und ist gewollt.

Um die praktische Relevanz unserer Forschung sicherzustellen, arbeiten wir in fast allen Projekten mit Industriepartnern zusammen. Dies gilt auch für Projekte, die nicht aus der Industrie finanziert werden. Wir respektieren unsere Industriepartner nicht nur als Geldgeber und Abnehmer unserer Forschung, sondern auch als kompetente Forschungspartner, deren Perspektive wichtigen Eingang in unsere Forschung findet.

Gern stellen wir Ihnen unser Forschungskonzept im Detail vor.