Das Lehrkonzept der Praktischen Softwaretechnik (PSWT) an der Friedrich-Alexander-Universität

Das Ziel unserer Lehre ist, fachlich und sozial kompetente Studierende in den Arbeitsmarkt zu entlassen, die sich der gesellschaftlichen Bedeutung unserer für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Disziplin bewusst sind und entsprechend agieren können. Wir bilden hierbei für vier Berufsprofile aus: (a) Softwareentwickler, (b) Produktmanager, (c) Entwicklungsleiter und (d) Wissenschaftler. Im Fokus stehen dabei drei Zielgruppen: (a) Etablierte Softwareunternehmen, (b) Start-ups und (c) Forschungslabore. Unser Lehransatz ist (a) praxis-orientiert, (b) projekt-basiert und (c) industrie-integrierend.

Die folgende Abbildung stellt unser Softwaretechnik-Curriculum dar und deckt die genannten Ausbildungsdimensionen ab. Für alle sich in der praktischen Softwaretechnik vertiefenden Studierenden ist die Einführung in die Praktische Softwaretechnik (PSWT) verpflichtend. Danach ist das Curriculum funktional gegliedert: Studierende wählen nach gewünschtem Berufsprofil ihre Module. So wird ein oder eine angehende Softwareentwicklerin z.B. die Veranstaltungen Advanced Design and Programming (ADAP), The Agile Methods and Open Source Project (AMOS) und Softwarearchitektur (ARCH) wählen. Ein angehender Produktmanager wird die Lehrveranstaltungen Produktmanagement (PROD), The Agile Methods and Open Source Project (AMOS) und Softwareprojektmanagement (SPM) wählen, usw.

Vor Etablierung der Open-Source-Professur existierten lediglich die dunkel-grau unterlegten Lehrveranstaltungen (TSWS, OOAD, SPM). Prof. Riehle hat diese um die blau unterlegten Lehrveranstaltungen erweitert, um ein einheitliches und umfangreiches Softwaretechnik-Curriculum anbieten zu können. Um dieses Curriculum möglich zu machen, hat Prof. Riehle mehrere Dozenten aus der Industrie gewonnen, mit denen zusammen er die Lehrveranstaltungen hält und die er in ihrem beruflichen Wachstum als Dozenten begleitet. Die Professur ist dankbar für das Industrieengagement, welches die Praxisrelevanz der Lehrinhalte befördert.

Die meisten Lehrveranstaltungen können in einer 5-ECTS- oder einer 10-ECTS-Variante belegt werden (AMOS, ARCH, PROD, NYT, TSWS) und finden alle zwei Semester statt. In der 5-ECTS-Variante wird der Lehrinhalt zumeist in klassischer Vorlesung + Übungsform vermittelt und erlernt. Bei Wahl der 10-ECTS-Variante führen die Studierenden in Teamarbeit ein begleitendes durchgängiges semesterlanges Lehrprojekt aus. Diese Lehrprojekte unter Beteiligung der Industriepartner sind eine wichtige von Prof. Riehle eingeführte Neuerung.

In Lehrprojekten bearbeiten Studierendenteams eine von einem Industriepartner gestellte und von der Professur kuratierte und abgesegnete Aufgabe, zum Beispiel:

  • Erstellung einer vom Industriepartner gewünschten Softwarekomponente im Agile-Methoden-und-Open-Source-Projekt (AMOS) unter Anwendung agiler Methoden (Scrum),
  • Erarbeitung einer von einem Industriepartner gewünschten Marktanalyse und Produktspezifikation in der Produktmanagementveranstaltung,
  • Beantwortung einer von einem Industriepartner gestellten Forschungsfrage in “Nailing your Thesis” (NYT), unserer Lehrveranstaltung zum wissenschaftlichen Arbeiten.

Industriepartner zahlen eine angemessene Teilnahmegebühr, um das beiderseitige Engagement und die notwendige Seriosität sicherzustellen. Die industrielle Nachfrage nach Lehrprojekten übersteigt unser Angebot. Neben der Vermittlung der fachlichen Kompetenz in der Lehrveranstaltung, welche auch zur Bearbeitung der Lehrprojekte benötigt wird, übernimmt die Professur die Prozessbegleitung der Lehrprojekte und die Qualitätssicherung der Ergebnisse. Diese Integration von Industriepartnern in unser Curriculum motiviert Studierende, sorgt für kontinuierliche Innovation und hilft der Professur, ihre Industriebeziehungen auszubauen.

Aufgrund eines hohen Anteils an ausländischen Studierenden wird ein signifikanter Anteil der Lehrveranstaltungen auf Englisch gelehrt. Prof. Riehle hat sich aber entschlossen, einen Teil des Angebots auf Deutsch zu lehren, um für ausländische Studierende einen Anreiz zu schaffen, ihr Deutsch zu verbessern. Wir freuen uns über ausländische Studierende und die Bereicherung, welche sie für unser universitäres Leben bedeuten. Gleichzeitig sehen wir uns als weitgehend von Steuergeldern bezahlte öffentliche Universität verpflichtet, ausländische Studierende für ein Bleiben in Deutschland zu motivieren; deutsche Sprachkompetenz ist hierzu wichtig.

Ein Großteil unserer Studierenden wird nach Studienabschluss Aufgaben in etablierten Unternehmen übernehmen und entsprechend bereiten wir sie durch unsere Lehrveranstaltungen, Industriekooperationen und Gastsprecher darauf vor. Darüber hinaus ist uns aber die Erzeugung und Unterstützung von studentischen Start-ups wichtig. Wir unterstützen Studierendenteams durch die Auswahl unserer Lehrprojekte, Industriekontakte und Business-Angel- resp. Finanzierungskontakte. Nach einem ersten Erfolg, der Netdosis AG, haben wir festgestellt, das etablierte Unternehmen unseren Studierenden mittels Lehrprojekt gern Start-up-Ideen vermitteln, um ihr eigenes Ökosystem anzureichern. Aktuell sind zwei solche Start-ups in Arbeit.

Wir möchten noch gern auf zwei Lehrinnovationen hinweisen: Produktmanagement (PROD) und Nailing-your-Thesis (NYT). Produktmanager oder -managerinnen in Softwareproduktunternehmen bestimmen die Anforderungen an Produkte. In dem Maße, wie sie dies erfolgreich tun, lebt oder stirbt das Unternehmen. Produktmanagement wird kaum in Deutschland in der Informatik gelehrt; es wird ggf. mit der Anforderungsspezifikation (zu eng) oder dem Projektmanagement (etwas anderes) verwechselt. Lehre zu Produktmanagement kann nicht auf einfache Formeln heruntergebrochen werden. Die wesentliche Kompetenz eines Produktmanagers ist die Entscheidungsfindung unter hoher Unsicherheit. Um diese angemessen zu vermitteln, entwickeln wir mit Industriepartnern sog. “Teaching Cases”, also Fallbeispiele, die wir im Unterricht (PROD) diskutieren. Diese, wie auch andere Lehrmaterialien, stellen wir der Öffentlichkeit kostenlos unter einer Creative-Commons-Lizenz zur Verfügung. Im Unterricht diskutieren Studierende mit uns und häufig auch den anwesenden Industriepartnern die Fälle und erwerben somit das notwendige Grundlagenwissen.

Nailing-your-Thesis (NYT) ist unsere “Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten”-Lehrveranstaltung, strukturiert als Vorlesung + Übung mit optionalem Lehrprojekt. In einem NYT-Lehrprojekt wird eine qualitative oder quantitative Forschungsfrage beantwortet. Im WS-2013/14-NYT-Lehrprojekt z.B. arbeitet sich gerade ein Studierendenteam durch die Bug-Tracker-Daten eines großen deutschen Softwareunternehmens, um das Konzept “technische Schulden” zu operationalisieren und deren optimales Niveau zu bestimmen. NYT lehrt Wissenschaft als Prozess sowie verschiedene Forschungsmethoden. Ein Drittel der Veranstaltung fokussiert auf das erfolgreiche Verfassen von Abschlussarbeiten und wissenschaftlichen Papieren. NYT ist am Informatik-Department der FAU so erfolgreich, dass (a) unsere Kollegen aktiv teilnehmen, um die in ihrer Subdisziplin relevanten Forschungsmethoden in einer Vorlesung vorzustellen und (b) die Prüfungskommission vor kurzem beschlossen hat zu empfehlen, NYT departmentweit den Studierenden ans Herz zu legen.

Vor vier Jahren hat Prof. Riehle ohne Vorarbeiten zur Lehre an der FAU angefangen. Wir haben in dieser Zeit ein neues innovatives Softwaretechnik-Curriculum aufgebaut. Das Curriculum ist nach den relevanten Fachkonzepten und -funktionen strukturiert, welche Studierende für eine langfristige und nachhaltige Karriere benötigen. Es ist umfangreich und an den verschiedenen Berufsbildern in der Informatik orientiert. Wir bewältigen dieses Lehrvolumen erfolgreich unter anderem durch den konstruktiven Einsatz von Industriedozenten, welche von Prof. Riehle begleitet und in unsere Qualitätssicherung eingebunden werden. Wir machen Konzepte und Funktionen plastisch erfahrbar durch die Einbindung von Industriepartnern in Lehrprojekte, was von unseren Studierenden als hochmotivierend wahrgenommen wird. Nicht nur ist es uns durch innovative Forschungslehre gelungen, ausgezeichnete Studierende für die Wissenschaft zu gewinnen, wir habe es auch geschafft ebenso ausgezeichnete Studierende für Start-ups zu begeistern. Wir glauben auf diese Weise einen Beitrag zu Wachstum und Innovation in der Informatik in Deutschland leisten zu können. Unsere Studierenden sind sich dieser Bedeutung bewusst.

Gern stellen wir Ihnen unser Lehrkonzept im Detail weiter vor.